Menschen wie ich, sagte ich mir, müssen sich immer wieder neu dafür entscheiden. Bei uns geht es nie von selbst, nie als eine Selbstverständlichkeit, nie ohne darüber nachzudenken, nie ohne nicht eine Stunde, oft genug aber auch halbe Vormittage gedanklich damit im Kopf hin- und herzulaufen. Einmal aber wachte ich auf, und spürte bereits beim Aufschlagen meiner Lider die knisternde Veränderung dahinter.
Als ich mich nämlich einmal nicht mehr dazu entscheiden konnte, als ich die Frage sofort mit „Nein!“ beantworten musste, als ich immer wieder „Nein!“ sagte, in der ersten Stunden nach meinem Aufwachen dreimal, danach immer wieder und über den ganzen Vormittag hinaus: keinen Kaffee machen!, keine Zeitung!, das Haus nicht verlassen!, kein Toilettengang!, nicht wieder einschlafen!, niemanden anrufen!, nichts trinken!, nichts lesen!, nichts zur Hand nehmen!, nichts niederschreiben! Als ich also über eine Stunde einfach im Bett lag und den Fliegen zusah, die den Schweiß von meiner halb auf den Fußboden herabgerutschten Hand saugten, die schließlich immer respektloser wurden, aufdringlicher, die sich auf mir paarten, auf mir Nachkommen zeugten, auf mir einschliefen, wie ich feststellte, fand ich, dass es gut war. Einmal nur hob ich den Kopf vom Kissen, da war die Sonne bereits über den Häusern, und als ich ihn wieder senkte, war es Nachmittag und die erste Fliege starb auf dem Leintuch neben mir. Sie drehte sich über eine halbe Stunde im Kreis, wie ich von meinem Wecker ablas, immer im Kreis, bis sie plötzlich liegen blieb, und es war Abend, dann Nacht und dunkel, und ich schloss die Augen und fiel endlich todmüde auf das Kissen zurück.
(erschienen in: Signum, Dresden 2013)